Wir haben das schöne Wetter am Wochenende dazu genutzt, einen historischen Spagat rückwärts vom Mittelalter bis in die Keltenzeit zu machen.
Am Samstag waren wir auf Burg Herzberg zu den Ritterspielen und einem Mittelaltermarkt. Wir sind den ganzen Nachmittag auf dem Gelände um die Burg nur so herumgeschlendert, haben Musik gehört, Stände und Auslagen angeschaut, anachronistische Getränke getrunken – die Kaffeemaschine war diskret in braunes Tuch gehüllt – und eine Burgerstürmung gesehen. Die war leider ohne Pferde, denn die waren schon vorher beim Turnier dran gewesen.
Und die ganze Zeit haben wir Menschen in „Gewandung“ bestaunt, so lautet der offizielle Begriff für die Verkleidungen. Was für ein lustiges Hobby.
Für meine Eltern war es das erste Mal, dass sie so etwas gesehen haben. Ich mit meinen neuzeitlichen Klamotten und meiner Fotografiererei wurde auch schon mal scherzhaft als „Touristin“ beschimpft. Bezahlt wurde mit Talern, die aber ganz genauso wie Euro aussahen.
Ich konnte nicht widerstehen, und habe mir ein zweites Trinkhorn von der Kuh erstanden. Und beim nach Hause gehen habe ich mich noch unsterblich in eine mongolisch aussehende Fellmütze verliebt, die aus braunem Lamm und hellem, seidenweichen Fuchsschwanz gearbeitet war.
Leider war sie viel zu teuer, deshalb habe ich sie dort gelassen. Und ich als alte Pelzgegnerin kann so etwas ja wirklich nicht bringen. Nachher werde ich noch mit Farbbeuteln beworfen…
Und heute waren wir in der näheren Umgebung bei der offiziellen Eröffnung einer rekonstruierten Ausgrabungsstätte. Vor knapp zehn Jahren wurde dort ein Wohngebiet erschlossen, und dabei hatten sie Scherben im Boden gefunden. Wir waren damals auch dabei, weil grade irgendein Tag des offenen Museums war oder so. Da dachten sie noch, die alten Siedlungsreste seien römisch-germanisch vom Jahre 10 n.u.Z. Unter anderem wurde uns eine winzige tönerne Babyrassel gezeigt, die sogar immer noch klapperte. Die mussten wir später natürlich in unserer Werkstatt nachmachen. Einige Scherbenbruchstücke nahmen wir an dem Tag auch mit nach Hause, das störte zu der Zeit niemanden.
Im Zuge der Ausgrabungen wurde jedoch nach und nach klar, dass die Funde um einiges älter sein mussten, ungefähr aus dem 8. Jahrhundert v.u.Z. Also aus der Eisenzeit und höchstwahrscheinlich von den Kelten, die im Moment überall schwer angesagt sind. Aus diesem Grund haben die Straßen der neuen Siedlung kurioserweise trotzdem germanische statt keltische Namen.
Aber eigentlich weiß über die Kelten und woher sie kamen niemand nichts Genaues. Ein Volk waren sie ebenso wie die Germanen eher nicht, sondern viele Stämme mit sprachlichen und kulturellen Ähnlichkeiten, die in ständige Auseinandersetzungen untereinander verwickelt waren. Der Name wurde ihnen von den Griechen gegeben, wenn die sie nicht doch lieber Barbaren nannten, und bedeutet „die Tapferen“ oder etwas in der Richtung.
Anscheinend war die Rhön die nördliche Grenze ihrer Besiedelung in Mitteleuropa, und der Name Rhön ist keltisch. Roinos heißt Grenzwall oder so ähnlich.
Außer Reden vom Landrat, dem Bürgermeister mit goldener Stadtkette und dem Kreisarchäologen gab es Freibier und gratis Flammkuchen, serviert von Kelten und Keltinnen in lustigen Kaffeesäcken, die historische Gewandungen darstellen sollten.
1.7.07
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10 Kommentare:
Steht dir sehr gut, die Mütze. Dachte erst, du seiest ebenso wohlgewandet burggewandelt wie der Rest.
Der blau-weiße Ritter paßt irgendwie nicht zu den anderen - sieht aus wie eine Büchse Bier aus Bayern.
Schön, solche Atmosphäre, finde ich. Gruß, Anuja
Boah, bist Du schnell, Anuja!
Ich bin noch gar nicht fertig und layoute noch ein bisschen herum.
Aber schon mal bedankt für das Kompliment!
Mir als Kunsthandwerker ist wohl aufgefallen, wie viel sinnlichen Spaß die Menschen an den Gegenständen aus vergangenen Zeiten haben, mit wieviel Stolz sie ihre Messer tragen und mit welcher Grazie sie in den leichten Lederschuhen, leicht tänzenlnd auf dem Erdeboden bewegten.
Hier bin ich mensch, hier darf ich`s sein!
Schööön!!!
Der Trend geht eindeutig zum Mittelalter. :D
Hier gibt es auch einige Veranstaltungen in dieser Richtung und ich finde die oft sehr sinnlich. Und unkompliziert...
Durch Zufall habe ich ein paar Leute aus dieser "Szene" kennengelernt und mitbekommen, wie um Authentizität gerungen wird.
Spannend!
Ach ja, Burg Herzberg, wie schön !
Da hab' ich mit 9 Jahren das erste Zeltlager unsrer Pfarrei mitgemacht und mich gleich unsterblich verliebt für die nächsten paar Jahre ;)
Is' nix draus geworden, meine fiesen kleinen Brüder, die auch mit waren, haben es ausposaunt :)
Wunderschöne Athmosphäre dort. Ich bin leider nie wieder hingekommen !
Danke für die schönen Fotos
Ursel
Das sind aber schöne Erinnerungen, Ursel. Die Sehnsucht und das Unerfüllte darin sind noch gut zu spüren.
Ein kleiner Nachtrag noch von mir: ich hab den Hut jetzt doch. Habe keine Lust auf Armutsbewusstsein gehabt und jemand von der Burg Schänke oben gekannt . Heute wurde er vorbei gebracht, und ich bin seeehr glücklich. Meine Mum staunte, kennt sie mich doch nur als Pelzgegnerin. Aber wie sagte ich neulich noch? Der Mensch muss sich doch entwickeln dürfen, oder?
wenn das so rasant weitergeht mit diesen Entwicklungen, landest du eines Tages noch auf dem Rennrad........
*grins*
zurückgrins
mittelaltermarkt, ich hatte früher einen freund, der diese bundschuhe aus einem stück leder hergestellt hat für diese märkte und meine mutter hatte auch ein paar freunde aus diesen kreisen.. ich fand es auch immer toll dorthin zu gehen und mir dieses alte deutsch anzuhören und die wiederverwertbaren essensbehälter waren sehr beeindruckend.. aber bei den ritterspielmärkten war ich noch nicht. es gab auch die ein oder andere band die dort aufgespielt hat, früher hatte ich ein paar kassetten von denen, die sind dann leider bei meinem umzug nach indien verloren gegangen.
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