Freudenfeuer - Brotopfer

Als wir im Juli auf Reisen waren, hatte unsere jüngste Tochter ein Vorstellungsgespräch. So weit von ihr entfernt konnten wir nicht viel mehr tun, als ihr am Telefon Mut zuzusprechen. Wir riefen außerdem die guten Geister an, besonders auch die Ahnengeister, unter denen vielleicht ebenfalls einmal ein Schneider oder eine Schneiderin gewesen war. Wir boten einen Deal an – falls unsere Tochter den Job bekommen sollte, würden wir zum Dank ein Feuer machen. Dann fiel uns noch ein Brot ein, das wir dazu backen würden, und einer spontanen Eingebung folgend gelobte ich, Oliven hineinzubacken. Von dem Brot würden wir ein Drittel dem Feuer opfern und den Rest selber verspeisen. Dazu wollten wir drei Lieder singen.



Gestern haben wir das Versprechen eingelöst. Wir haben ein Grillfest daraus gemacht und mit der Familie draußen am Feuer gefeiert. Das Brot war der Hit. Wir hatten einen Zopf gebacken, in dessen einem Strang Oliven waren, in dem zweiten getrocknete Tomaten und in dem dritten Zwiebelwürfelchen. Eigentlich hätten wir gar nichts weiter dazu gebraucht, so gut war das. Doch bevor wir selber aßen übergaben wir ein Drittel des Brotes dem Feuer. Das Singen besorgten der Mann an meiner Seite und ich, für den Rest der Familie war es vielleicht etwas gewöhnungsbedürftig, beim Grillen spirituelle Lieder zu singen. Aber das kümmerte uns nicht sonderlich.



Unsere Tochter hat den Job nämlich bekommen und ist jetzt Musternäherin bei Hugo Boss. Das bedeutet, sie näht Einzelstücke direkt nach den Entwürfen von Anfang bis Ende in einem Ablauf. Sie wird also keine Fließbandarbeit machen, bei der die Näherinnen den ganzen Tag nur Krägen oder Taschen oder Knopfleisten nähen. Und sie hat mit ihrem großen schwarzen Hund eine schnuckelige Wohnung in einer wunderschöner Landschaft „wie im Urlaub“ am Rand der Schwäbischen Alb gefunden.

Boss ist als eine sehr Mitarbeiter freundliche Firma bekannt, die viel für ihre Leute tut. Wir sind so froh, dass sie diese einmalige Chance bekommen hat und ein bisschen traurig, dass sie jetzt noch weiter von uns entfernt leben wird.